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Mein ehemaliger Arbeitsplatz in Berlin/Ost - Pariser Platz 4

Vom Klofenster im obersten Stock war die Aussicht am besten. Wenn wir Besuchern die irrsinnige Lage unseres Arbeitsplatzes anschaulich machen wollten, gingen wir mit ihnen auf jenes besagte "Örtchen", weil man von dort einen beeindruckenden Blick auf den Todesstreifen der Mauer zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz hatte.
Die meisten unserer Besucher hatten, kamen sie zum ersten Mal zu uns, ohnehin Bedenken, ob sie denn so ohne weiteres zu uns dürften, bekamen sie doch "vor Ort" die außergewöhnliche Lage unseres Arbeitsplatzes mit. Auch war es schwer, die Adresse auf dem Stadtplan zu finden, denn der eigentliche Platz lag im "Niemandsland" der Mauer bzw. Grenzanlagen Ostberlins und durfte nicht betreten werden. Ein direkter Zugang vom Pariser Platz war daher nicht möglich, über den damaligen offiziellen Zugang zu meiner Arbeitsstelle rasen heute die Autos der Umfahrung des BrandenburgerTores über die Behrenstraße.

Ich habe bis April 1990 als Ausstellungstechniker an der Akademie der Künste der DDR gearbeitet und meine offizielle Dienstanschrift lautete Pariser Platz 4.
Dort befanden sich Werkstätten, in denen wir Kunstausstellungen technisch vorbereiteten. Es waren riesige, ca 10 m hohe, mit Glasdach versehene Räume, in denen wir arbeiteten. Später, als es mich zu interessieren begann, erfuhr ich, daß sie Anfang des Jahrhunderts als Atelierräume für die damalige Preußische Akademie der Künste errichtet worden waren, deren Nachfolger wir jetzt waren. Und ich erfuhr, daß das eigentliche Haupt- bzw. Verwaltungsgebäude zum Ensemble des Pariser Platzes gehörte, der wohl mal einer der wichtigsten Plätze Berlins war. Allerdings war von diesem Verwaltungsgebäude nichts mehr übrig, lediglich Teile der rückwärtigen Atelierräume, eben unsere Arbeitsstelle. Nur unsere Adresse erklärte sich aus der ursprünglichen Lage des Hauptgebäudes am Platz. Übrigens war (und ist) der Trakt, neben dem Brandenburger Tor, das einzige "Original" vom ehemaligen Pariser Platz. Unser Haus stand als einsamer Solitär inmitten einer unbebauten Brache, hinter der unmittelbar die Grenzanlagen begannen. Wobei wir nicht Grenzgebiet waren, jedenfalls nicht am Tage, so daß uns jeder ohne besondere Genehmigung besuchen konnte. Dafür mußten wir besondere Sicherheitsvorkehrungen einhalten, die auch
ständig überprüft wurden, z.B. sämtliche Leitern, aber auch die Müll- bzw. Aschetonnen ständig anketten.

So dicht an der Mauer zu arbeiten war schon ein merkwürdiges, oft auch bedrückendes Gefühl. Andererseits gingen wir damit auch "normal" um, denn daß sie eines Tages vielleicht nicht mehr stehen würde, erschien uns unvorstellbar. Unsere Phantasien wurden dafür permanent angestachelt und sich "Fluchtpläne" auszudenken war ein fast alltäglicher Sport von uns. So kannten wir z.B. genau die Einsatz- bzw. Auswechselzeiten der Grenztruppen, erfolgte ihre Ablösung quasi doch immer vor unseren Augen. Und es passierte durchaus auch, daß Achim, unser Hausmeister/Heizer und ein Urberliner Original, manchmal mit ihnen gemütlich Kaffe trank, z.B. im Winter, wenn auch sie froren.

Das alles, diese besondere räumliche Situation, ist heute kaum noch nachvollziehbar, zumal die ehemals so freie Sicht durch den Neubau des DG-Bankgebäudes total genommen ist. Mir hat sich allerdings die Zeit am Pariser Platz tief eingeprägt. Als dann die Mauer fiel, konnte ich hier lange nicht auf den ehemaligen, eigentlichen Todesstreifen gehen, so tief saß der "Respekt". Heute bekomme ich dagegen immer einen leichten Schauer, wenn ich meine alte Arbeitsstelle betrachte.

Geschrieben zum 10. Jahrestages des Mauerfalls 1999
Meine ehemaligen Arbeitsräume sind mittlerweile integriert in den Neubau der Akademie der Künste am Pariser Platz und werden als Ausstellungsräume mit genutzt.

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verbotenes Foto von der Mauer
mit Blick zum Brandenburger Tor